ZwischenWeltenÜberSetzen
Zur Rekonstruktion biographischer Erfahrungen und Kompetenzen geflüchteter Jugendlicher im Zugehörigkeitsraum Schule
Das Projekt erforschte, welche Erfahrungen geflüchtete Schülerinnen und Schüler im Prozess ihres Ankommens in Österreich und im schulischen Alltag machen. Im Fokus standen die Erzählungen der Jugendlichen, ihre Kommunikation im mehrsprachigen Kontext und die Übersetzungspraktiken, mit denen sie sich wechselseitig ihre Lebenswelten vermitteln. Schule wurde im Projektkontext als Zugehörigkeits- und Bildungsraum begriffen, der Möglichkeiten der Artikulation eröffnen, aber auch verschließen kann. Die Jugendlichen wurden als kompetente Subjekte angesprochen, die über vielfältige Erfahrungen mit dem Übersetzen zwischen verschiedenen sozialen Welten verfügen und diese gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen erforschen. Das Projekt verfolgte drei Ziele:
Erstens, wurden die biographischen Erfahrungen geflüchteter Jugendlicher, die in Österreich eine Schule besuchen, ‚zur Sprache gebracht’. Zu diesem Zweck wurden autobiographische Erzählungen über den Prozess des Ankommens in der neuen Lebenssituation, insbesondere den biographischen Übergang in die Institution und Lebenswelt Schule, angeregt. Zweitens, wurde die von den Jugendlichen im schulischen Alltag – oft nebenbei – geleistete Übersetzungsarbeit in den Mittelpunkt gerückt. Untersucht wurden sowohl die Praktiken des Übersetzens von Texten unterschiedlicher Sprachen als auch das damit verbundene Übersetzen sozialer und biographischer Bedeutungshorizonte. Über den schulischen Rahmen hinaus wurden, drittens, die Erfahrungen mit Übersetzen in der Lebenswelt der Jugendlichen rekonstruiert. Das Forschungsinteresse galt der Vielfalt biographischer Erfahrungen sowie der Bedeutung sozialer Rahmenbedingungen, insbesondere der Schule als Resonanz- und Möglichkeitsraum. Übergeordnetes Ziel war, die biographisch und lebensweltlich erworbenen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler mit Fluchtgeschichte herauszuarbeiten.
Die Schülerinnen und Schüler nahmen im Projektverlauf verschiedene Rollen ein: Als Erzählende reflektierten sie eigene Erfahrungen mit Schule und mit gesellschaftlichen Vorstellungen zu möglichen Bildungswegen in unterschiedlichen sozialen Kontexten. Als Übersetzende erprobten sie Methoden der Kommunikation unter der Bedingung von Mehrsprachigkeit und reflektierten Möglichkeiten und Grenzen biographischer Artikulation und ihrer wechselseitigen Übersetzbarkeit. Als Forschende untersuchten sie mit Hilfe von Methoden der Biographieforschung ihre eigenen Geschichten und Erfahrungen mit dem Über-Setzen zwischen Welten. Im Projektteam arbeiteten Jugendliche und Lehrpersonen mit Forschenden und Übersetzerinnen und Übersetzern zusammen. Damit eröffneten sich für alle Beteiligten Möglichkeiten, Einblicke in ‚fremde’ Erfahrungs- und Wissensbereiche zu bekommen und mit den eigenen Erfahrungen zu verknüpfen.
Unter Nutzung von Ansätzen des Erzählens und Übersetzens, die aus der Erwachsenenbildung, aus professionellen und künstlerischen Praxen stammen, wurden im Projekt neue Wege erprobt, um die Fremd- und Selbst-Wahrnehmung und die Anerkennung der Leistungen von Jugendlichen mit Flucht- und Migrationsgeschichte zu fördern. Darüber hinaus trugen die gewählten Arbeitsformen zur Erweiterung des Methodenrepertoires von Sprachlehrerinnen und -lehrern bei. Das Projekt hatte Anregungspotenzial für die Aus- und Fortbildung im Lehramt sowie für die Schulentwicklung, indem es die biographische Perspektive von Schülerinnen und Schülern mit der Institution Schule als gesellschaftlichem Zugehörigkeits- und Bildungsraum verband.
Dieses Projekt ist bereits abgeschlossen.